Der Bau von Gebäuden dient nicht primär der Geldvermehrung, sondern schafft Lebensräume, die die Welt möglichst zum Besseren verändern. Ein Plädoyer für weniger Fixierung auf Zahlen und dafür, gute Architektur in den Mittelpunkt der Immobilienbranche zu rücken.
Als 19-Jähriger stand ich in Genf plötzlich vor einem Gebäude mit großen Markisen, riesigen Fensterfronten, Glasbausteinen und lichtdurchfluteten Treppenhäusern: das Maison Clarté, ein Wohnhaus von Le Corbusier aus den Jahren 1930 bis 1932. Das sah so anders aus als die Einfamilienhäuser meiner norddeutschen Heimat. So viel freier, großzügiger, kreativer, schöner. Mir war sofort klar, hier war eine andere Zivilisation am Werk. Ihr wollte ich folgen. Das ist lange her, aber meine Begeisterung für gute, große, schöne, kluge, kultivierte Architektur hat nicht nachgelassen. Doch warum wird gute Architektur immer noch so selten in den Mittelpunkt der Immobilienwirtschaft gestellt? Bei meinem Seminar für Studenten der Irebs in Regensburg bin ich der Erste, der mit ihnen über Architektur spricht. Die Studenten rechnen, rechnen, rechnen, lernen aber kaum etwas über Schönheit, Nützlichkeit, Gefühle, Gesellschaft, Nachhaltigkeit und kulturellen Anspruch. Schönheitsempfinden ist nicht angeboren, sondern wird kulturell erlernt. Der Blick und das Empfinden und Erfinden von Eleganz und Erhabenheit, von Proportionen, Farben und Formen kann ausgebildet werden. Dennoch ist Schönheit nicht das einzige Ziel heutiger Architekten. Objekthaftigkeit, Einzigartigkeit, Nachhaltigkeit, Nutzerbedürfnisse und Einbindung in die Nachbarschaft sind heute die Themen, die das Geschehen unübersichtlich machen.Doch ein schönes, klug erdachtes und gebautes Haus adelt den Erbauer und den Nutzer gleichermaßen.
Nach Pierre Bourdieu gibt es unterschiedliche Arten von Kapital: ökonomisches, soziales, symbolisches und kulturelles. Das Streben nach finanziellem Kapital ist demnach bei weitem nicht alles. Soziales, symbolisches und kulturelles Kapital machen den Unterschied für jene, die sich damit als Kenner und Könner zeigen. Sie gewinnen Prestige und Status, also Distinktion. Im Zug von Berlin nach Hamburg treffe ich im Speisewagen einen agilen Makler aus Berlin. Er klagt über die Schnelldreher, die "Toastbrote mit Balkonen billig bauen und teuer verkaufen". Aber Bauen unterscheidet sich vom Daytrading dadurch, dass die Welt tatsächlich und über einen langen Zeitraum verändert wird - möglichst zum Besseren. Bauen ist keine wundersame Geldvermehrung, sondern hat innerhalb der Gesellschaft die Aufgabe, Lebensräume und Lebensqualität für viele zu schaffen. Ein hoher Anspruch, der allzu häufig unterlaufen wird. Doch die Immobilienbranche tut gut daran, sich bewusst und mit Hingabe dieser Aufgabe zu stellen.
Die Immobilienbranche sollte wie die Architekten einen Kodex als Selbstverpflichtung leben und sich ein Versprechen für Exzellenz, Qualität und Kompetenz, für beispielhafte und verantwortungsvolle Berufsausübung und für ethisch korrektes Verhalten geben. Und sich bereits während der immobilienwirtschaftlich en Ausbildung deutlich intensiver mit guter Architektur und Stadtplanung befassen. Denn das kann erlernt werden und zu Ansehen, Wohlstand und einem erfüllten Leben führen. Oder, wie Klaus Humpert es sagt: Wenn die Städte in Ordnung sind, ist auch die Gesellschaft in Ordnung.