Building Information Modeling

Building Information Modeling

Kolumne von Eike Becker, "Immobilienwirtschaft" 04/2017

„Die Projektentwickler verzichten auf BIM. Doch viel Zank und hohe Kosten für alle könnten vermieden werden, wenn weniger Beteiligte auf präziseren Ausschreibungsgrundlagen besser zusammenarbeiteten.“

Mein Blick schweifte über die Berliner Innenstadt. Die Morgensonne tauchte die Dächer in ein sanftes, warmes Licht. Ein Fischreiher zog ruhig seine Bahn, über Tegel glitzerte ein landendes Flugzeug am Horizont. Ich erinnere mich noch genau an den 21. Januar 2014, an dem wir im Büro zum ersten Mal darüber sprachen, unsere Gebäude mit dem Programm Revit dreidimensional zu planen und BIM umzusetzen.

Ein Riesenthema, der Motor der Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft. Dabei wird klar, dass Innovationen jeweils schwer erkämpft sind. Im Konkreten geht das so: Seit Jahren nut-zen wir diverse Zeichenprogramme. Wettbewerbe bearbeiten wir in dem schnellen und einfach zu lernenden Vectorworks. Perspektiven erstellen einige mit Cinema 4D, andere mit Grasshop-per/Rhino, die Bildbearbeitung dann mit Photoshop, Illustrator und InDesign. Wenn wir dann den Wettbewerb gewinnen und das Projekt realisieren, wird alles noch mal komplett neu mit dem präziseren AutoCAD gezeichnet. Das verwenden auch die Tragwerksplaner und Haustechniker in Deutschland. Entwurfs- und Detailperspektiven werden dann wieder separat in Cinema 4D oder Rhino neu gezeichnet. Ein sympathisches Leben wie in einer mittelalterlichen Kleinstadt. Vielfältig, individuell und leistungsfähig, aber „Kiss and fly“ geht anders. Die diversen Programme sind nicht miteinander vernetzt und am Ende haben wir ein und dasselbe Gebäude immer wieder neu gezeichnet. Aber was ist eigentlich Building Information Modeling? Kurz BIM beschreibt eine Methode, die in einem allumfassenden, virtuellen Gebäudemodell alle relevanten Daten digital und an einer Stelle speichert und miteinander verknüpft. Ein enormer Vorteil für effizientere und damit qualitäts-, termin- und kostensichere Planung, Ausführung und Bewirtschaftung.

Diese intelligenten 3D-Modelle bestehen nicht nur aus Linien, Flächen und Volumen, sondern aus bauspezifischen Objekten (Wand, Tür, Fenster et cetera) mit entsprechenden Attributen wie Material, U-Wert, Hersteller oder Schalldämmmaß. Auch eine „Kollisionskontrolle auf Knopfdruck“ etwa zwischen Haustechnikleitungen und Tragwerkselementen ist möglich. Aber es gibt auch Gegenargumente. Teure Software muss gekauft, alle Planer müssen neu geschult werden, und der Einarbeitungsaufwand ist erheblich. Die meisten anderen Planer arbeiten noch nicht damit, und allgemeingültige Standards gibt es auch nicht.

Unpassendes Phasenvorgehen

Also einigten wir uns nach umfangreichen Diskussionen darauf, das nächste Projekt 3D zu planen, bei dem wir zu Planungsbeginn auch die Werkplanung beauftragt bekommen. Denn der deutlich höhere Planungsaufwand rechtfertigt sich nur, wenn auch die Saat der zusätzlichen Eingabearbeit in der Ausführungsplanung zur Blüte gebracht werden kann. Ein vorsichtiger Kompromiss, der unsere innovativen Ambitionen erst einmal in die Warteschleife schickte. Denn Architekturaufträge werden in Phasen und immer häufiger zunächst einmal nur bis zum Bauantrag beauftragt. Die dann folgende Ausschreibung und Ausführungsplanung wird möglicherweise von Dritten erbracht. Dieses Vorgehen ist, wie so manches, beeinflusst von angloamerikanischen Gepflogenheiten. Doch das dortige System passt nicht so recht zu der deutschen Planungskultur. In England oder Amerika erwarten Auftraggeber von dem Entwurfsarchitekten lediglich einen Satz Zeichnungen. Der General Contractor nimmt deren Leitdetails und macht dann die Ausführungsplanung selber. Kann man machen, die Qualität ist dann aber niedriger. Finde ich also nicht so gut.

Anders hier in Deutschland. Die meisten Architekten erstellen auch die Ausführungsplanung fachgerecht. Sie schulden ihrem Auftraggeber nicht nur einen Satz Pläne, sondern: das fertige Werk, das fertiggestellte Gebäude. Also, eigentlich alles. Sie sind die Kreativen und die Präzisen. Sie sind die Erfinder, die auch für die Ausführung bis zur letzten Schraube verantwortlich sind. Das finde ich gut. Im Ergebnis führten aber diese schrittweisen Beauftragungen dazu, dass wir viel Zeit ungeduldig verplempert haben, um in die von uns erwartete frühzeitige Beauftragungssituation zu kommen. Denn keiner unserer Auftraggeber hatte 3D-Planung auf seiner Bestellliste und keiner konnte von dem Wert einer dreidimensionalen Planung überzeugt werden. Ganz zu schweigen von zusätzlichen Planungskosten. Ich fühlte mich unverstanden. Der einsame Fischreiher kam mir wieder in den Sinn.

Drees & Sommer hat sich im letzten Jahr das Thema BIM ganz besonders vorgenommen. Professor Sommer beispielsweise hat nachgerechnet und kommt auf einen 30 Prozent höheren Planungsaufwand für BIM. Wer trägt diese Kosten? Sie könnten als besondere Leistungen zusätzlich beauftragt werden. Dazu fehlen aber bisher die Bereitschaft und das Verständnis der Auftraggeber. Also, nach einiger Zeit des vergeblichen Wartens auf den passenden Auftrag haben wir uns dann dazu entschieden, das Ganze auf unsere Kappe zu nehmen und einfach mit der 3D-Entwurfsplanung anzufangen. Wir setzen also einen BIM-Manager ein, schulen Mitarbeiter in Revit, entwickeln bürointerne BIM-Standards und sammeln Erfahrungen. Ohne zusätzliche Beauftragung. Denn das Thema ist noch nicht in der Immobilienwirtschaft angekommen. BIM ist auch für uns als Planer, aber vor allem für die Bauausführenden und das Gebäudemanagement extrem hilfreich. Es steigert die Planungsqualität. Die Projektentwickler als unsere direkten Auftraggeber meinen aber noch darauf verzichten zu können. Denn sie verkaufen möglichst schnell weiter. Dadurch entfernt sich Planen und Bauen zurzeit voneinander. Hier sind die Entwickler und Planer und dort die Baufirmen, der Investor, die Nutzer und da-nach das Facility Management. Eine schlechte Entwicklung. Viel Zank und Streit und hohe Kosten auf allen Seiten, Terminverzüge und schlechtere Qualität könnten vermieden werden, wenn weniger Beteiligte auf präziseren Ausschreibungsgrundlagen besser zusammenarbeiten würden. Warum soll das nicht gehen?

Keyplayer Investoren und Baufirmen

Die flächendeckende Einführung von BIM könnte auch schneller gehen, wenn die Investoren BIM beim Kauf nachfragen würden. Das hat ja auch bei den Nachhaltigkeitszertifikaten gut geklappt. Heute wird kaum noch ein Neubau verkauft, der nicht nach DGNB oder LEED zertifiziert ist. Und gerade die Bestandshalter haben durch ein 3D-Modell ihrer Immobilie im Management klare Vorteile. Auch die Baufirmen könnten sich einsetzen und eine 3D-Planung als Ausschreibungsgrundlage einfordern. Gerade auf der Baustelle lassen sich die Vorteile interaktiver Modelle aus bauspezifischen Objekten nutzen. Doch das ist alles heute noch die Ausnahme.

Andere Länder sind da schon weiter. In den USA ist BIM Planungsstandard. Es gibt mittlerweile sowohl nationale als auch lokale Richtlinien. In Großbritannien ist BIM für alle öffentlich finanzierten Bauvorhaben Pflicht. Nachdem in Deutschland nahezu alle Großbaustellen der öffentlichen Hand massiv aus den Kosten und Terminen gelaufen sind (und das klingt noch verharmlosend), wurde durch das Bauministerium eine Reformkommission für den Bau von Großprojekten eingesetzt. Neben Bonus-Malus-Zahlungsvereinbarungen und ÖPP-Modellen soll Building Information Modeling Abhilfe schaffen. Ab 2020 sollen nur noch 3D-Planungen beauftragt werden. Na also, da haben wir ja noch drei Jahre. Hoffentlich fliegt dann noch der Fischreiher gen Horizont. Ich formuliere es vorsichtig: Vielleicht starten und landen dann aber die Flugzeuge nicht mehr in Tegel.