Es gibt eine lange Kette von Beispielen für Do-it-yourself-Management und fehlende Planungskultur: Kaum irgendwo wird so unbeschwert unwirtschaftlich gearbeitet, wie in der Immobilienbranche.
Seit einer Stunde sitze ich zusammen mit meinem Partner an einem blitzsauberen Besprechungstisch. Wir warten auf unseren Auftraggeber. Ein eingespieltes Ritual, wie bei jeder Verabredung mit dem selbstbewussten Immobilienentwickler aus London. Ein Gespräch über Form und Zukunft der Zusammenarbeit steht an. Der Ton in den Projektbesprechungen ist rüde, bisweilen verletzend. Ein externes Projektmanagement für dieses komplexe Vorhaben wurde nicht eingesetzt. Die Fachingenieure werden, wie wir, nur schleppend bezahlt und halten infolgedessen ihre Zuarbeit immer wieder zurück. Dadurch können wir unsere Leistungen nicht abschließen, das Projekt zieht sich hin. Es gibt also genug Gesprächsstoff. Ein Einzelfall, der nur uns betrifft? Leider nein. Von vielen Kollegen höre ich ähnliche Geschichten. Es gibt eine lange Kette von Beispielen für Do-it-yourself Management und fehlende Planungskultur.
Ich sehe kaum eine Branche, in der so unbeschwert unwirtschaftlich gearbeitet wird, wie in der Immobilienbranche. Management Methoden wie etwa Lean Production („Werte ohne Verschwendung schaffen“) oder Lean Construction („Wie Toyota im Bauwesen“), gelten als überschätzt. Wer kennt das nicht: Da werden schon mal hochgebildete Architekten und Ingenieure abgekanzelt, preisgekrönte, erfahrene Architekturbüros gefeuert, eigene Projektteams mitten im Verlauf ausgetauscht, Kompetenzen entzogen, Entscheidungen nicht getroffen, Verträge einfach nicht eingehalten, Zahlungspläne nicht umgesetzt und so fort. Ist also in Zeiten der Deals und Fake news das Recht des Stärkeren die Managementmethode der Stunde? Donald Trump als Role model für die deutsche Immobilienwirtschaft? Oder bin ich zu zart besaitet für diese Art von Geschäft? Kann es sein, dass immer nur die anderen Schuld sind? Was sind unsere eigenen Fehler? Könnten wir besser sein? Wie könnten Architekten stärker Einfluss nehmen auf das Baugeschehen und die Beteiligten? Wie könnten die diversen Formen von Verschwendung, Fehlern und überflüssigen Kosten reduziert, wie kann mehr Qualität erreicht werden? Ich schaue auch gerne mal wohlwollend auf die Branche. Ich bin ja selber Teil von ihr. Doch ohne über das Wie und Warum zu sprechen geht nur wenig voran. Also, kurz und gut: wie sieht eine bessere Projektplanung aus?
Alles fängt mit einer sorgfältigen Vorbereitung an, der Phase Null. Klar. Wenn Grundstücksentwicklungen mit solider Vorprüfung und passendem Budget begonnen würden, stünden die Planer nicht von Beginn an so mächtig unter Kostendruck. Überhaupt kann eine erfolgreiche Projektbearbeitung durch eine solide Finanzierung beschleunigt werden. Warum erwähne ich das in Niedrigzinszeiten und Geldschwemme? In der Regel finanzieren Banken den Grundstückskauf und später auch den Bau. Die Planungsphase bis zum Bauantrag muss aber vom Projektentwickler selber gezahlt werden. Um das eigene Risiko gering zu halten, werden Zwischenfinanzierer eingeschaltet, die sich ihr Risiko mit hohen Zinsen bezahlen lassen. Um die eigenen Aufwendungen möglichst gering zu halten, versuchen Projektentwickler Honorare so spät wie möglich zu zahlen. Verständlich.
Aber wie viel charmanter wäre diese Ambition, wenn sie mit der Bitte um eine Finanzspritze oder mit einem Kreditvertrag verbunden wäre? Dann könnten die meisten Nörgelleien an der Planungsqualität („Die Vermassung ist falsch“), Schuldzuweisungen („Die Fachingenieure machen, was sie wollen!“) und Beschönigungen („Ich zahle immer pünktlich!“) vermieden werden. Die Planer bräuchten dann ihre Risiken nicht durch eine Verkleinerung der Projektteams („Urlaubszeit!“) oder durch eine zeitweise Kompletteinstellung der Planung („Wir sind behindert!“) zu reduzieren. Sollte mal ausprobiert werden. Könnte Wunder wirken. Auf einmal würden sich alle Beteiligten besser verstehen, und die Zusammenarbeit würde mehr Spaß machen, Terminverzüge und Kosten könnten vermieden werden.
Erhöhte Gewinne könnten auch durch verbesserte Strukturen erzielt werden. Was wäre, wenn etwa Entscheidungen von den Projektleitern direkt vor Ort getroffen würden und nicht nur vom Seniorchef („Alles geht über meinen Schreibtisch!“). Dann könnte vermutlich eine Menge Frust und Dienst nach Vorschrift („Ich frag nächste Woche mal den Chef...“) vermieden werden. Synergien stecken auch in der durchgängigen Bearbeitung der Entwurfs- und Ausführungsplanung. Es kommt immer noch vor, dass der Entwurf von einem Architekten gemacht wird und die Ausführungsplanung von einem anderen. Eine extrem aufwändige Arbeitsweise, die zu krassen Qualitätsverlusten führt. Denn die Aufblähung der Projektteams erzeugt ein System von Misstrauen und Unsicherheiten. Zank und Streit und Kostenmehrungen sind die Folge.
Das Schicksal schlägt Kapriolen. Erst kürzlich hat uns ein Bauherr nach einem Wettbewerbsgewinn mit der Entwurfsplanung beauftragt, die Werkplanung sollte aber ein anderer Kollege machen. Nach einem Jahr zähem Planungsringen gingen dann die Fassade und die Innenarchitektur zurück an uns. Wer stark ist, kann auch seine Entscheidungen revidieren. Für Architekten und Auftraggeber, die sich mit ihren Projekten identifizieren und voller Begeisterung an deren Optimierung arbeiten, macht eine durchgängige Planung aus einem guten Haus ein sehr gutes.
Und noch so ein Traum von mir: Was wäre, wenn wir nicht mehr gleichzeitig Planen und Bauen? Ich weiß, ein Modell, das in Deutschland extrem beliebt ist. Es soll ja alles ganz schnell gehen. Deshalb wird die Planungs- und Bauphase so ineinander geschoben, dass gleichzeitig geplant und gebaut wird („Simultaneous Engeneering“). Hört sich innovativ an, funktioniert aber wegen der stark steigenden Planungskomplexität in der Regel nur mit Zeit-, Kosten- und Qualitätsverlusten. Ich staune jedes Mal, wenn trotz dieser aufwändigen Arbeitsweisen eines Tages auch tatsächlich ein
fertiges Haus dasteht. Gerade heute, in den Boom-Zeiten, höre ich häufig Klagen über die Genehmigungsbehörden und die politischen Entscheidungsgremien: „Zu langsam, zu unfähig!“. Doch auch im privatwirtschaftlichen Teil der Stadtproduktion geht allzu vieles holter die polter: Kaufen, verkaufen, expandieren, digitalisieren, finanzieren, planen, bauen - da kann einem ganz schwindelig werden
und einiges durcheinander geraten.
Auch viele Architekten könnten es besser machen. Sie lassen sich an den Rand des Geschehens drängen und übergeben allzu freiwillig anderen die Verantwortung. Sie gehen Konflikten lieber aus dem Weg, anstatt als gleichberechtigte Projektpartner die Probleme offen anzusprechen. Und die eigene Planungskultur stärker einzubringen. Ich bin kein Träumer, aber ich weiß aus langer Erfahrung, dass alle Beteiligten, in geordneten Bahnen, immer wieder zusammenkommen müssen, wenn das Werk gelingen soll.
Ist es nicht an der Zeit, sich mit der Art der Zusammenarbeit und den damit einhergehenden Prozessen auseinanderzusetzten? Wild West war gestern und Shootouts werden heute hart bestraft. Hier nochmal meine Wunschliste: Phase Null sorgfältig durchführen, solide finanzieren und Honorare zahlen, kleine Planungsteams einsetzen und unterstützend begleiten, erst planen und dann bauen. Und positive Energie ins Team bringen. Und halten. Denn der gute Umgang miteinander und die wechselseitige Unterstützung machen aus Durchschnitt nachhaltigen Erfolg. Für alle.