MakeCity Studio Talk Review – Berlin remixed

MakeCity Studio Talk Review – Berlin remixed

Das Fazit des Abends: Berlin ist nicht mehr ganz so arm, aber auch nicht mehr so richtig sexy. Trotzdem strömen immer mehr Menschen in die Hauptstadt, um hier das zu finden, was sie für sexy halten. Die Alt-Berliner sehen die Veränderungen, die die Neu-Berliner mit sich bringen, kritisch. Aus ihrer Sicht hat die Hauptstadt in den letzten 50 Jahren genug Wandel hinter sich. „Dit wolln wa nich“ und „dit ham wa immer so jemacht“ scheint fest in der DNA der Berliner verankert zu sein. Die Hauptstädter möchten, dass Berlin möglichst genau so bleibt, wie es ist. Soll in der Nachbarschaft Wohnraum für Neu-Berliner geschaffen werden, regt sich lautstarker Protest. Das weiß auch der Senat. Um nicht noch mehr Wählerstimmen zu verlieren und die eigene Klientel bei Laune zu halten, heißt die politische Maxime: Altes bewahren und Neues verhindern. Dass sich die Zeiten geändert haben, wird weitestgehend verdrängt. Statt einen vorausschauenden Kurs einzuschlagen und frühzeitig gegenzusteuern, fährt der Berliner Senat auf Sicht und manövriert den Wohnungsmarkt damit in unruhiges Fahrwasser. Dabei liegen die Lösungen inklusive aller Instrumente und Maßnahmen für mehr Wohnungsbau auf dem Tisch. Man muss sich ihrer nur konsequent bedienen.

Stichwort Verdichtung

Die magische Zahl von 4 Millionen Einwohnern, die die Politik scheinbar in Schockstarre versetzt, wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach überschritten. 1942 erreichte die Einwohnerzahl mit 4.478.000 Menschen ihren Höchststand. Warum sollte dies also heute ein Problem sein? Zumal ein Großteil der städtischen Infrastruktur auf diese Bevölkerungszahl ausgelegt ist. Verdichtung ist also das Gebot der Stunde. Und Platz dafür ist ausreichend vorhanden, denn die Hauptstadt ist großzügig bebaut: Leben in Paris mehr als 20.000 Menschen auf einem Quadratkilometer und in London mehr als 5000, sind es in Berlin gerade einmal 3900.

Welches Potenzial in der Nachverdichtung schlummert, haben die Grünen sowie der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in zwei Studien gezeigt. Durch Aufstockungen, Dachgeschossausbauten,  Lückenschließungen und die Konversion von Brachflächen ließen sich 87.000 neue Wohnungen schaffen. Durch die Einführung der Baugebietskategorie „Urbanes Gebiet“ sollen die Städte jetzt dichter und durchmischter werden. Dadurch könnten Wohn- und Gewerbeflächen enger zusammenrücken. Leider ist für die neue städtebauliche Dichte eine an die bestehenden Verhältnisse zurückhaltend angepasste GFZ von 3,0 vorgesehen. Das ist nicht dichter als jetzt schon nach dem bestehenden Baurecht gebaut wird. Und bei der Umsetzung scheitern Städte bisher entweder am Lärmschutz oder den Einwänden der Bürger.

Stichwort Hochhäuser

Wohnhochhäuser galten bis vor wenigen Jahren noch als Bausünden der 70er Jahre. Assoziierte man mit ihnen wenig attraktive Großsiedlungen in Randbezirken wie Gropiusstadt oder Mahrzahn-Hellersdorf. Jetzt feiern die Giganten aus Stahl, Beton und Glas ihr Comeback. Wenn immer mehr Menschen nach Berlin ziehen, Baugrund knapp und teuer ist, muss die Stadt auch in die Höhe wachsen. Daran führt kein Weg vorbei. Denn Hochhäuser schaffen auf einer vergleichsweise kleinen Grundfläche viel Wohnraum. Und sie haben noch weitere positive Effekte: Es müssen weder das Straßennetz noch der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden. Auch der Bau zusätzlicher Schulen, Kindergärten oder Krankenhäuser ist nicht notwendig, vielmehr können bereits bestehende erweitert werden. Außerdem müssten nicht noch mehr Natur- und Grünflächen urbanisiert werden. 

Da Hochhäuser erhebliche Auswirkungen auf den unmittelbaren Stadtraum haben, braucht es verbindliche Leitlinien für die Hochhausentwicklung in Berlin. Darin muss geklärt werden, an welchen Standorten Hochhäuser städtebaulich und stadtgestalterisch sinnvoll und verträglich sind. Doch einen Hochhausrahmenplan gibt es bislang immer noch nicht. Dabei wurde er mutig als Ziel in den Koalitionsvertrag aufgenommen. An vielen Stellen in der Stadt würden Investoren gerne hoch bauen. Doch die linke Regierung traut sich nicht. Um Zeit zu gewinnen, beauftragt die Verwaltung erstmal umfangreiche Studien. Zwischenzeitlich nimmt sich die Senatsbaudirektorin ein Sabbatical.Und so vergeht Jahr um Jahr. Die Bezirke können sich auf ein fehlendes Gesamtkonzept berufen und darauf hoffen, dass das Thema spätestens bei der nächsten Wahl vom Tisch ist.

Stichwort Partizipation

Der Mangel an politischen Visionen hat in Berlin dazu geführt, dass sich das Gefühl der Ohnmacht von der Politik auf die Wähler  überträgt. Die Bürger sind politikmüde, und haben die ehemals großen Volksparteien auf Zwergen-Niveau geschrumpft. Auf der anderen Seite hat sich die Zahl der kommunalen Plebiszite seit Mitte der 90er Jahre verdreifacht. Bürgerinitiativen sind zu einer kraftvollen Bewegung geworden, die kaum ein politischer Mandatsträger ignorieren kann. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung verlangen nahezu zwei Drittel der Bürger eine stärkere Beteiligung an Bau- und Planungsvorhaben. Die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wünsche der Menschen vor Ort führen in der Regel zu verbesserten Planungen, einer stärkeren Identifikation – und somit zu besseren Stadtquartieren. Das Ringen um die beste Lösung ist oft zäh, und kann Projekte verzögern oder sogar verhindern. Das ist der Preis der Partizipation – aber ohne sie geht es nicht. Aktuelle Bürgerdialoge, Konsensforen und Runde Tische, die Bürger in einem „ergebnisoffenen Dialog“ in Entscheidungsprozesse einbinden sollen, enden oft als "Particitainment", weil Bürger nicht wirklich etwas mitbestimmen können. Nach einer Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik sind 49 Prozent der Kommunen mit der aktuellen Form der Bürgerbeteiligung zufrieden, aufseiten der Bürger aber nur ganze sieben Prozent. Wie es scheint, partizipiert die Politik an den Bürgererwartungen vorbei. Welchen Beitrag können Architekten und Planer für mehr Partizipation leisten? Sie müssen sich kritischer mit ihren Aufgaben auseinandersetzen. Denn sie sind nicht nur ihren Auftraggebern verpflichtet, sondern haben auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Dafür sind sie durch ihre breit aufgestellte Ausbildung gut qualifiziert. Sie haben eine Menge Wissen über die unterschiedlichen Gruppen, die am Prozess der Stadtgestaltung beteiligt sind. Dieses Know-how müssen sie stärker und selbstbewusster einbringen – damit es in politischen Entscheidungsprozessen in Zukunft mehr Bottom-up und weniger Top-down gibt. Denn nur mit dem Wissen aller lässt sich die Hauptstadt 4.0 entwickeln.