Tag der Architekten 2018

Tag der Architektur 2018

Eike Becker: „Die neue Berliner Mischung darf mutig und radikal sein.“

Ich habe den Tag der Architektur genutzt, um mir anzuschauen, was die geschätzten Kollegen so machen. Meine Wahl fiel auf den denkmalgeschützten Wikinghof am Erkelenzdamm in Kreuzberg, ein Ensemble aus einem Vorderhaus mit Wohnnutzung und mehreren Gewerbehöfen. Das Büro Vukovic+Rogulj hat das Baudenkmal mit viel Liebe zum Detail in einen modernen Firmensitz verwandelt, ohne den Kreuzberger Hinterhof-Charme zu verlieren.


Mir gefallen die Heckmann-Höfe, Sarotti-Höfe oder Hackeschen Höfe. Dass ich bei meinen Erkundungstouren immer wieder Neues entdecke, ist der „Berliner Mischung“ zu verdanken. Sie steht für das Nebeneinander von Wohnen, Gewerbe und Produktion innerhalb eines städtischen Blocks. Der Berliner Block ist eine komplexe urbane Typologie, die zu einer Stadtstruktur führte, deren Hauptsubstanz sich im Innern der Blöckebefindet – quasi eine Stadt inmitten der Großstadt.


Um 1900 waren sich in den Hinterhöfen schwerpunktmäßig Produktionsbetriebe, nach dem Mauerfall siedelte sich hier eine Mischung aus Klubs, Ateliers, Kleingewerbe und Werkstätten an. Keine Frage, Berlin hat viel Schönes zu bieten, aber nicht zuletzt sind es auch die Hinterhöfe, die den besonderen Reiz der Stadt ausmachen.

Seit 1999 regiert das Dogma der Blockrandbebauung. Um der Stadt ein homogenes Erscheinungsbild zu geben, wird in der berlintypischen Traufhöhe gebaut. Die „Berliner Mischung“ beschränkt sich auf Wohnen in den Obergeschossen sowie Läden im Erdgeschoss. Das Ergebnis ist einfallslos, langweilig und monoton. Ich wünsche mir mehr Mut zur Heterogenität. Etwas Hoffnung macht mir die neue Baugebietskategorie „Urbanes Gebiet“. Nun wird es möglich, zusätzlichen Wohnraum in innerstädtischen Bereichen zu schaffen, in denen bisher keine Nachverdichtung erlaubt war. Wohnen, Arbeiten und Leben dürfen in Zukunft wieder dichter zusammenrücken. Somit eröffnet das „Urbane Gebiet“ uns als Architekten die Chance, die „Berliner Mischung“ neu zu interpretieren.

Die ersten vorsichtigen Entwürfe zur Interpretation des urbanen Gebiets sind vielversprechend.  Der Entwurf „Urban Living“ Bruno Fioretti Marquez in der Arcostraße und schlägt ein Feld von tiefen Sockelbauten vor, die in Anlehnung an den historischen Hobrecht-Block ein System von Höfen erzeugen. Augustin und Frank schlagen für ein Grundstück in der Briesestraße ein tiefes Gebäude mit zwei eingeschnittenen Höfen als Umbau eines ehemaligen Parkhauses vor. Auch der Entwurf des Büros Hütten und Paläste für das Rollberg-Areal schlägt eine ähnliche Strategie vor. Eine existierende 18 Meter tiefe Gewerbehalle wird mit neuen Wohnungen aufgestockt. Es entsteht ein Sockel, in den ein zusätzliches Geschoss eingezogen wird, das Food-Laboren, Galerien, Gastronomie, Veranstaltungen und Co-Working Platz bieten soll.

 

Die Entwürfen zeigen, dass die Grenzen der neuen Berliner Mischung momentan noch recht vorsichtig ausgelotet werden. An Konzepten, die sich an eine radikalere Mischung von Wohnen und Gewerbe wagen, fehlt es bislang. Um der einzigartigen Vielfalt der Berliner Lebensentwürfe gerecht zu werden, dürfen wir ruhig mutiger werden. Ich weiß, dass es in der Architekturszene viele gute Ideen gibt, die sich nicht hinter der Mischung gewachsener Berliner Blöcke verstecken müssen.