Vortrag Fachbereich Architektur TH Köln

Vortrag Fachbereich Architektur TH Köln

Eike Becker: „Superferente Architektur macht aus einem Meer an Möglichkeiten ein Mehr an Chancen.”

Schon Voltaire wusste, dass das Gute der Feind des Besseren ist. Denn wer denkt, gut genug zu sein, hört auf besser zu werden. Doch wie sieht eine Architektur aus, die Quartiere, Städte und unsere Gesellschaft besser macht? Sie muss Antworten geben auf eine zunehmend komplexere, differenziertere, widersprüchlichere und vielfältigere Welt, in der diverse Ansprüche, unzählige Regeln und hochspezialisiertes Fachwissen aufeinandertreffen. In ungeordnetem Zustand konkurrieren, mischen und widersprechen sich diese Parameter. Die widerstreitenden Kräfte lassen sich aber auch nutzen, um zu neuen kreativen Verfahren und innovativen sozialen, ökonomischen und ökologischen Lösungen zu gelangen. Eike Becker hat dazu eine inklusive architektonische Strategie entwickelt: die Superferenz.

 
Superferenz schließt viel ein- und wenig aus. Sie nutzt Konflikte und Überlagerungen, um Gewissheiten in Frage zu stellen und geschlossene Systeme zu öffnen. Dabei werden Daten, Fakten, der städtebauliche Kontext sowie gesellschaftliche Entwicklungen immer wieder neu analysiert und interpretiert. Denn je komplexer die Ausgangslage, desto mehr stoßen puristische, minimalistische und exklusive Strategien an ihre Grenzen. Weil sie viel ausschließen, wegblenden, unterdrücken und unberücksichtigt lassen. Die Suche nach der Homogenisierung, Harmonisierung und Vereinfachung versperrt den Weg zu innovativen Lösungen für neue, sich gegenseitig beeinflussende Sachverhalte.

Inklusive und interdisziplinäre Arbeitsweisen sind bei komplexen Fragestellungen deutlich erfolgreicher. Die superferente Strategie sammelt Wissen, bringt zusammen, hört neugierig zu, wertet, deutet, erkundet, lernt die unterschiedlichen Kräfte kennen, schätzt den starken Nachbarn und die engagierte Opposition. Sie versteht Konflikte, Widerstände und Kontraste als Chance. In einem pluralistischen, meinungsbildenden Prozess wird dabei beständig nach Alternativen gesucht. Man schaut von unten und von oben, schiebt von links nach rechts, arbeitet in Skizzen, mit Modellen, am Rechner und mit dem dicken Pinsel, im Gesamtkontext und im Detail.

Bereits in der Entwurfsphase gilt es, aus einem Meer von Möglichkeiten die entscheidenden herauszusuchen. Städtebau, Grundstück, Himmelsrichtungen, Erschließung, Raumprogramm, Blickbeziehungen, Sicherheit, Bauphysik, Haustechnik, Statik, Brandschutz, u.v.m. konkurrieren miteinander und werden auf ihre sozialen, ökonomischen und ökologischen Implikationen geprüft. Heute sind Häuser und Städte als Abbilder ihrer Erbauer komplexe und anspruchsvolle Gebilde, die immer mehr und ständig neue Anforderungen zu erfüllen haben.

Alles hat mit allem zu tun. Wenn es gelingt, alles zu bedenken und zu berücksichtigen, lassen sich nachhaltige Antworten auf Zukunftsfragen finden.